american sweets

Ich bin nicht allein.
Im Gegenteil, es wohnen hier eine Menge Menschen die ich mag und die mich mögen. Da wäre zunächst Kasia, sie kommt aus Polen, ist ebenfalls Austauschstudentin und wir hatten vor meiner Reise schon regen Emailkontakt, weil sie auch ein off-campus-apartment suchte. Sie war es die mich eigentlich erst auf die Idee brachte, nach einem Zimmer im Copycat zu suchen. Sie wohnt auch hier im Haus (in der B Sektion, ich ja in der F Sektion) in einer großen, großen siebener WG. Die WG ist hier mein wichtigster Dreh- und Angelpunkt für soziale Kontakte. Ein unabdingbares Netzwerk, voll von interessanten Menschen und außergewöhnlichen Persönlichkeiten. Es riecht nach Atelier, es ist dreckig, ich kann hingehen, wann immer mir danach ist. Sie sind alle tätowiert und heben mir manchmal Essen auf.
Ich bin sehr froh darüber. Muss ich doch nicht diese Art von Austauschstudent sein, der heulend und total vereinsamt in seinem Zimmer sitzt. Ich gehe auf Partys, mache Ausflüge und werde oberflächlich freundschaftlich überall mit einbezogen. Mir werden Dollar geliehen und Fragen gestellt. Ich werde abgeholt und hingebracht. Sie achten auf mich und sind meistens rührend. Doch bleibt da immer noch die schon so oft erwähnte Oberfläche, die tiefgründigere Freundschaften nicht wirklich zulässt. Und das wird durch diese blöde, immer existierende Sprachbarriere schrecklich verstärkt. Ich kann mich verständigen, klar, ist ja auch nur Englisch, aber richtige Diskussionen führen und mich ausführlich erklären das kann ich nicht. Ich scheitere und es ist so traurig. Ich werde hier immer ein blöder Ausländer sein der sich nicht richtig ausdrücken kann und ich weiß nicht genau wie ich das ändern kann. Man sagte mir, dass es mit der Zeit besser werden würde. Ja, es ist besser geworden, aber jetzt, jetzt habe ich das Gefühl, dass es bockt und einfach stehen bleibt. Das Vieh.

my very first

beer was a natty boh
Liebe Freunde,
Ich lebe. Ich lebe in einem abgefuckten Industriebau in einer mittelgefährlichen Gegend in der kriminellsten Stadt Amerikas, in Baltimore, Maryland USA. Aber ich lebe gut. Von gelegentlichen, sentimentalen Heimwehgefühlen mal abgesehen wenn mal was nicht klappt. Einige von euch kennen ja vielleicht das Gefühl, wenn total banale Dinge, wie Geld abheben an einem Bankautomaten, eben mal nicht funktionieren und man mit Tränen in den Augen und Wut auf Land und Leute nach Hause rennt. Wenn man mit den letzten $10 eine Weinflasche für ausgewiesene $8,99 kaufen will, man aber kläglichst scheitert, weil die Amerikaner auf alles, aber wirklich auf alles eine tax (Gebühr) berechnen (nicht nur auf Alkohol und Zigaretten auch auf eine Packung lila M&Ms für 86cent).
Nun bin ich hier im Land der BLABLABLA. Ja es ist alles frei und grenzenlos und irgendwie schön. Meine Befürchtung, dass die Amerikaner mich erst gar nicht ins Land lassen war übrigens unbegründet. Ich kam sehr schnell und vollkommen ohne Komplikationen rein und nach 20 Stunden Anreise, ohne Schlaf, dafür mit Flugzeugessen im Bauch, suchte ich mir meinen Weg von Washington DC nach Baltimore. Die ersten Amerikaner, die ich noch am Flughafen kennenlernte, waren ein älteres Ehepaar die mir von sich aus und prompt mit dem Bus halfen. Die waren so nett, dass ich gleich ganz milde wurde. Sie liehen mir Geld, weil den Bus musste man passend bezahlen, sie fragten mich, wo ich hin müsste, sie brachten mich zur Metro und scherzten unentwegt. Wirklich nett. Im beigefarbenen Dress und hochgezogenen Socken in Turnschuhen bestätigten sie gleich mehrere amerikanische Klischees. Dass nahezu alle Amerikaner eine großzügige oberflächige Freundlichkeit pflegen, bestätigte sich an diesem Tag dann noch häufiger. Es ist irgendwie ganz schön und auch hilfreich, man kann wildfremde Menschen ganz ungeniert dumme Sachen fragen.
Als ich endlich in Baltimore ankam, aus dem Bahnhofsgebäude und in meine neue Heimatstadt schritt, war mir ganz seltsam zu Mute. Aber ein schönes Seltsam, kein blödes. Ich setzte mich in ein Taxi und ließ mich zum abgefuckten Industriebau fahren. Der Taxifahrer, ebenfalls oberflächlich aber im höchsten Maße freundlich, erklärte mir, dass meine neue Wohngegend nun nicht gerade zu den sichersten dieser Stadt zähle.... Drauf geschissen. Ich brauchte Schlaf und ein Bett und ein Raum für mich. Nach einer schnellen Führung mit Frank, dem Vermieter meines Apartments, durchs verwirrende und riesengroße Gebäude, auch Copycat genannt, bekam ich alle Schlüssel, endlich Schlaf und Internetzugang.

Meine neue Adresse
bis Ende Dezember
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Katrin Steiger
E 309 Federal St
Apt. F403
Baltimore, MD
21202, USA